Mein Weg ins Systemische (5)

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Marietta  Ziethen beschreibt ihren Weg ins Systemische als eine lange Reise der professionellen und persönlichen Entwicklung, die schon in der Schulzeit ihren Anfang nahm. Marietta bietet ein Trauma-Seminar bei LEBENSNAH an. Neben systemischen Methoden ist das Thema Trauma ihr Schwerpunkt.

 

 

Mein Weg ins Systemische

… war und ist eine lange Reise durch eine Zeit professioneller und persönlicher Entwicklung.

 

Meine Reise ins Systemische begann für mich in der Schulzeit. Nachdem mein Berufswunsch „Sozialpädagogin“ sich herauskristallisiert hatte, habe ich diesen Weg eingeschlagen und ihn nie wieder verlassen, sondern immer und stetig erweitert. Während der vielen Jahre professioneller und persönlicher Entwicklung -  für mich untrennbar miteinander verwoben – habe ich viele Umwege in unterschiedliche Haltungs- und Denkweisen gemacht, in einem Bild gesprochen: Weiterbildungs-Tagestrips und Kurzreisen unternommen. Keine Frage, alle waren sie spannend. Aber das Gefühl, angekommen zu sein, zuhause zu sein in einer Haltung und Denkweise, eine Lebenskultur gefunden zu haben, die so ganz meine ist, hatte ich erst nach vielen Jahren. Dieser Teil des Weges begann 2005 mit meiner ersten Systemischen Weiterbildung.

 

 

Der Beginn meiner Reise

Von Systemischem Denken war in meiner Studienzeit an der Fachhochschule Hamburg mit Beginn 1981 noch keine Rede. Die Systemik steckte in den Kinderschuhen. Die damalige Haltung und Idee, wie Menschen miteinander agieren, kommunizieren und ihre Lebenswelt gestalten, war noch eine ganz andere. Nach Abschluss von Studium und Berufspraktikum startete ich meine „Laufbahn“ im Jugendamt. Das vorherrschende Paradigma der Arbeit bewegte sich um die Idee von Helfen, Helfern und denen, die Hilfe brauchen. Hilfe zur Selbsthilfe war die Lösung. Defizite in Herkunft, in der Bildung und im Lebensstil wurden beschrieben, bewertet und entsprechend wurde den Hilfebedürftigen die nötige Hilfe zur Selbsthilfe angeboten. Gepaart war diese Idee mit der Erwartungshaltung, dass die Hilfebedürftigen, denen wir die von uns ausgedachten Hilfen „angedeihen“ ließen, sich freuen müssten, nun endlich zu wissen, wie sie ihr Leben besser gestalten könnten. Die Freude über die angebotenen Hilfen, unsere Ideen und Vorschläge für die anderen, unsere Klienten, hielt sich bei den „Hilfebedürftigen“ jedoch oft in Grenzen.

 

 

Stationen meiner Reise

20 Jahre später, inzwischen „ein alter Hase“, genderkorrekt „eine alte Häsin“ der Sozialarbeit, hatte sich nicht nur gesellschaftspolitisch und in der Gesetzgebung vieles geändert. Auch die Paradigmen der Sozialarbeit änderten sich. Die Statik im Bild: Helfer und Hilfebedürftige, die Idee von Bewertung und Schuld war durchlässiger geworden und veränderte sich mehr und mehr hin zu einem Denken von Netzwerken und Ressourcenarbeit statt Defizitdenken. Für meine eigene professionelle Weiterentwicklung entschloss ich mich, noch einmal grundlegend die „Schulbank zu drücken“. Ein Masterabschluss in Sozialmanagement war das Ergebnis. Das persönliche Resultat war die Erkenntnis, dass ich dabei war, meinen ursprünglichen Weg zu verlassen und dass dieser Weg nicht länger meiner war. 2005 entdeckte ich das Angebot einer Weiterbildung zum „Systemischen Familiencoach“. Damit war ich an einem Punkt meines Weges angelangt, der fortan meine Haltung anderen Menschen und auch mir selbst gegenüber grundlegend verändert sollte.

 

In der ersten systemischen Weiterbildung öffneten sich mir völlig neue Gedanken und Ideen. Kommunikation, Beziehungen und Entwicklungen wertfrei als Prozesse zu erkennen, die immer neue Möglichkeiten beinhalten, haben für mich wie eine Befreiung im Denken und Handeln gewirkt. Davon wollte ich unbedingt mehr erfahren und mehr erleben. Jede systemische Weiterbildung ist auch ein tiefer Veränderungsprozess. Nach inzwischen vielen Jahren systemischer Weiterbildung und Arbeit ist die größte Veränderung in meinem Leben, dass ich mich selbst als Mensch im Denken und Handeln verändert habe. Die systemische Haltung hat Stück für Stück alte Denkmuster, biographische Aufträge und die Gedanken von Ursache-Wirkung, Schuld und Sühne abgetragen.

 

 

Angekommen

Heute lasse ich mich tragen von dem Gefühl, frei zu sein, in einer Leichtigkeit zu leben, die mich ganz viel empfangen lässt. Gefällt es mir nicht, lasse ich es vorbeiziehen und betrachte neugierig den nächsten Impuls.

 

Sicher: Ab und zu fasst mich auch mal so etwas wie ein Rückfall an. Dann, wenn ich ärgerlich oder ungeduldig werde. Spüre ich diese Schwere, denke ich an Steve de Shazer:

„Ändere nichts, ändere etwas, ändere dein Bild, ändere alles.“

In diesen vier Möglichkeiten verbirgt sich immer eine Lösung, die Situation von der Metaebene aus mit Wohlwollen, Leichtigkeit und als Teil eines Prozesses zu betrachten, der gar nicht zu bewerten ist. Ich betrachte die Situation als Lernprozess, nehme heraus, was mich beschenkt und lasse den Rest sein, wie er ist.

 

Nach inzwischen 37 Berufsjahren als Sozialpädagogin bin ich immer noch absolut glücklich und zufrieden mit meiner Berufswahl. Nach vielen Jahren hat mich mein Beruf als Mensch, untrennbar zwischen Professionalität und Persönlichkeit, in die systemische Welt geführt, in der ich angekommen bin und die mir die Leichtigkeit geschenkt hat, wohlwollend und dankbar auf alles und jeden zu blicken, der mir auf dem Weg begegnet. Daraus ergibt sich auch die Freude, hoffentlich noch viele Jahre in meiner Systemischen Praxis arbeiten und vielen Menschen begegnen zu dürfen.

 

Herzlichst

Ihre Marietta Ziethen

 

 

 

Marietta bietet im Sommersemester folgendes Seminar bei LEBENSNAH an:

Das Trauma und die Folgen in der pädagogischen Arbeit 



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