Einblicke in die Arbeit des Lebensnah Instituts Oebisfelde
„Ich hatte das Gefühl, wir sind keine Familie mehr – nur noch Einzelkämpfer unter einem Dach.
So beschreibt eine Mutter den Zustand ihrer Familie, bevor das Jugendamt den Kontakt zum Lebensnah Institut in Oebisfelde herstellte. Die Situation war festgefahren: Die Kommunikation mit dem jugendlichen Sohn bestand nur noch aus Vorwürfen, die Geschwister zogen sich zurück, die Eltern lebten nebeneinander her.
Dann kamen zwei Therapeutinnen zur Familie nach Hause – ein eingespieltes Team der aufsuchenden Familientherapie. In der ersten Sitzung sagte kaum jemand ein Wort. Doch schon nach einigen Wochen veränderte sich etwas. In Gesprächen am Küchentisch, bei kleinen Aufgaben im Alltag und durch kreative Methoden wie das Familienbrett oder Rollentausch-Spiele entstand langsam wieder ein Verständnis füreinander. Nach drei Monaten sagte der Vater: „Früher habe ich nur noch funktioniert. Jetzt nehme ich meine Kinder wieder richtig wahr.“
Systemisch. Menschlich. Alltagsnah.
Im Lebensnah Institut Oebisfelde begleiten wir Menschen in schwierigen Lebenssituationen – mit einem offenen Ohr, systemischer Fachkompetenz und viel Herz. Unser Institut ist ein Ort der Begegnung, der Klärung und der Entwicklung – für Familien, Paare, Einzelpersonen und Organisationen. Wir verstehen uns als Brücke zwischen Menschen und ihren Ressourcen, zwischen Konflikt und Lösung, zwischen Krise und Perspektive.
Was unsere Arbeit ausmacht
Die aufsuchende Familientherapie ist ein Herzstück unserer Arbeit. Dabei sind unsere Fachkräfte im Tandem unterwegs – also immer zu zweit – und besuchen Familien direkt zu Hause. Diese Arbeit verlangt nicht nur fachliche Kompetenz und Fingerspitzengefühl, sondern auch ein hohes Maß an Flexibilität, Belastbarkeit und Empathie.
In der systemischen Familienhilfe, die wir ebenfalls im Auftrag der Jugendämter leisten, geht es oft um das Wiederherstellen von Alltagsstruktur: Wie kann eine überlastete Mutter die Morgenroutine bewältigen? Wie kann ein Jugendlicher wieder regelmäßig zur Schule gehen? Wir helfen, die inneren und äußeren Systeme zu ordnen – mit einem lösungsorientierten, wertschätzenden Blick.
Unsere Mitarbeitenden fahren täglich viele Kilometer durch den ländlichen Raum – von Dorf zu Dorf, über weite Felder, zu verstreut lebenden Familien. Häufig gibt es im direkten Umfeld der Familien keine Anlaufstellen, kaum Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, wenige Beratungsdienste oder Netzwerke. Die Isolation ist spürbar – sowohl geografisch als auch emotional.
In dieser Realität ist unsere Präsenz vor Ort mehr als ein Termin: Sie ist ein Signal. „Ihr seid nicht allein. Es darf schwer sein. Und es darf Hilfe geben.“
Ein typischer Arbeitstag beginnt für unsere Fachkräfte oft mit einer langen Autofahrt zu einer Familie, bei der die Eltern durch psychische Belastungen überfordert sind. Am Vormittag findet eine strukturierende Sitzung mit der Familie statt – manchmal am Küchentisch, manchmal auf einem Spaziergang. Danach folgt ein kurzer Austausch mit der Schule des Kindes, telefonisch oder vor Ort. Am Nachmittag wartet die nächste Familie – vielleicht ein Paar, das lernen will, wieder gemeinsam Eltern zu sein.
Später reflektieren unsere Mitarbeitenden die Einsätze im Team, dokumentieren, bereiten neue Interventionen vor oder besprechen besonders schwierige Fälle in der Supervision. Die Tage sind voll – nicht nur mit Aufgaben, sondern mit echten Geschichten, mit Herausforderungen und Hoffnung.
Teamarbeit und systemische Haltung
Was unser Team auszeichnet, ist ein besonderer Zusammenhalt, der weit über kollegiale Kooperation hinausgeht. In einem Arbeitsfeld, das von emotionaler Dichte, menschlichen Krisen und hoher Verantwortung geprägt ist, braucht es nicht nur fachliches Können – sondern Vertrauen, Offenheit und ein starkes Miteinander.
Systemikerinnen und Systemiker wissen: Wir wissen nicht alles. Unser Ansatz lebt davon, dass wir mit Neugier und Demut auf die Lebensrealitäten der Menschen blicken. Es gibt keine Patentrezepte, keine eindeutigen Wahrheiten – nur vielfältige Perspektiven und oft überraschende Lösungswege. Diese Haltung prägt auch unser Team.
Wir arbeiten auf Augenhöhe, unabhängig von Position oder Berufserfahrung. Es ist ausdrücklich erwünscht, Fragen zu stellen, Unsicherheiten zu teilen oder andere Sichtweisen einzubringen. In regelmäßigen Teamsitzungen, kollegialer Beratung und Supervision pflegen wir eine Kultur des offenen Austauschs – ehrlich, respektvoll und wertschätzend.
Diese Teamkultur macht unsere Arbeit tragfähig. Sie ist unsere wichtigste Ressource im Umgang mit schwierigen Fällen, belastenden Themen und komplexen familiären Dynamiken. Nur wenn wir selbst gut in Verbindung bleiben, können wir auch für andere verbindlich da sein.
Therapie, Supervision, Gruppenangebote – systemisch gedacht
Neben der aufsuchenden Arbeit bieten wir in unseren Institutsräumen Paar- und Familientherapie an. Hier begegnen wir Menschen, die freiwillig nach Unterstützung suchen. Ein Ehepaar kurz vor der Trennung, das sich fragt, wie es Eltern bleiben kann. Eine Mutter und ihr pubertierender Sohn, die nur noch über das Handy kommunizieren. In einem geschützten Rahmen wird aus Sprachlosigkeit wieder Gespräch, aus Vorwürfen werden Bitten, aus Rückzug entsteht Annäherung.
Auch Fachkräfte in sozialen Berufen nutzen unsere Angebote – insbesondere Supervision. Für viele ist das ein geschützter Raum, um sich zu entlasten, neue Perspektiven auf schwierige Fälle zu gewinnen und wieder mit mehr Sicherheit und innerer Klarheit zu arbeiten. In Teamsupervisionen geht es oft auch um Kommunikation, Rollenklärung und Zusammenarbeit.
Im Bereich Organisationsentwicklung unterstützen wir Träger, Kitas, Schulen oder Einrichtungen in Veränderungsprozessen. Ob neue Leitung, Personalwechsel oder Spannungen im Team – wir helfen dabei, Prozesse zu klären und tragfähige Strukturen zu entwickeln.
Unsere Seminare und Fortbildungen finden großen Zuspruch. Themen wie systemisches Denken im pädagogischen Alltag, Resilienz, Gesprächsführung oder Konfliktklärung werden praxisnah und lebendig vermittelt – immer mit Blick auf die reale Arbeitswelt der Teilnehmenden.
Vernetzung im ländlichen Raum – ein Beitrag gegen Isolation
Ein Anliegen ist uns auch die Vernetzung der Familien, die wir betreuen. Gerade im ländlichen Raum erleben viele Familien, dass sie „die einzigen mit Problemen“ sind – was oft mit Scham, Rückzug und Isolation einhergeht.
Mit Ferienangeboten und Gruppenaktionen schaffen wir geschützte Räume für Begegnung: Kinder aus unterschiedlichen Familien kommen in Kontakt, spielen, basteln, erleben Gemeinschaft. Und sie stellen fest: Auch andere Kinder haben schwierige Situationen zu Hause. Dieses Erleben wirkt entlastend – es nimmt den Familien die Einsamkeit und öffnet Türen für neue Beziehungen.
So wird aus professioneller Hilfe echte soziale Unterstützung – nachhaltig und oft weit über unsere Arbeit hinaus.
15 Jahre Lebensnah – eine Geschichte von Entwicklung, Stolpersteinen und Visionen
Was 2009 mit einer einzigen systemischen Therapeutin begann, ist heute ein kraftvolles Institut mit 21 engagierten Mitarbeitenden. Die Gründerin baute das Lebensnah Institut Schritt für Schritt auf – mit Fachlichkeit, persönlichem Mut und der Vision, systemische Arbeit mitten ins echte Leben in unsere ländliche Region zu bringen.
Ab 2017 wuchs das Team kontinuierlich. Heute arbeiten bei uns Erzieherinnen, eine Heilpädagogin, systemische Therapeutinnen, Sozialarbeiterinnen, Supervisorinnen und sogar eine Quereinsteigerin aus einem ganz anderen Berufsfeld, die sich fortgebildet hat – erfahren, leidenschaftlich und multiprofessionell. Wir kooperieren mit vier Jugendämtern der Region, viele Einrichtungen schicken ihre Fachkräfte zu uns in Supervision oder Fortbildung.
Doch der Weg war nie geradlinig. Wir haben Hürden überwunden: unklare Zuständigkeiten, Finanzierungsunsicherheiten, Fachkräftemangel. Und auch heute kämpfen wir mit Herausforderungen. Die Mittel in den Landkreisen werden knapper, obwohl der Bedarf wächst. Familien, die dringend Hilfe bräuchten, müssen manchmal warten – eine Situation, die uns betroffen macht und anspornt, weiter für gute psychosoziale Versorgung zu kämpfen.
Im Jahr 2024 haben wir unser 15-jähriges Bestehen mit einem Fachtag auf der Sumpfburg Oebisfelde gefeiert. Es war ein besonderer Tag – mit Vorträgen, Austausch, Rückblick und viel Anerkennung. Für uns war es auch ein Zeichen: Wir bleiben wach, lebendig und zugewandt – für die Familien, für die Fachkräfte, für eine Region, in der jeder Mensch das Recht auf gute Begleitung hat.
Antje Rein, Leiterin und Gründerin des Lebensnah-Instituts Oebisfelde
Neugierig geworden?
Mehr über unsere Angebote, unser Team und unsere Haltung erfahren Sie auf
www.lebensnah-institut.de
Oder rufen Sie uns einfach an – wir freuen uns auf den Kontakt – 039002/40211 oder per Email: info@lebensnah-institut.de
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